Chirurgie bei Kindern
Die chirurgische Behandlung von Kindern unterscheidet sich in vielen Aspekten von der operativen Therapie Erwachsener, denn gerade bei Säuglingen und Kleinkindern ist ein erheblich feineres OP-Instrumentarium erforderlich. Darüber hinaus gibt es manche operationspflichtigen Krankheitsbilder nur im Kindesalter.
Neben der optimalen Operation ist es uns sehr wichtig, die Eltern zu informieren und einzubeziehen. Denn je jünger die Kinder sind, umso schlechter können sie äußern, was ihnen fehlt oder wo es schmerzt. Das erschwert die Beurteilung vieler Krankheitsbilder. Vor einem Eingriff erläutern wir daher den Eltern genau den Operationsablauf und die anschließende Behandlung.
Ist mit der Operation des Kindes ein kurzer stationärer Aufenthalt verbunden, werden die kleinen Patient:innen von den erfahrenen Pflegkräften auf den Stationen der Kinderklinik betreut. Bei Babies und Kleinkindern ist die Begleitung durch einen Elternteil selbstverständlich möglich.
Häufige Krankheitsbilder sind u.a. ein Leistenbruch (Leistenhernie), ein Nabelbruch (Nabelhernie), eine Blinddarmentzündung (Appendizitis), eine Magenpförtnerenge (Pylorushypertrophie) und ein nässender Harngang (Urachusfistel).
Bei der vorgeburtlichen Entwicklung des Jungen wandert dessen Hoden unter Mitnahme einer Bauchfellhülle aus dem Bauchraum in den Hodensack. Der Verbindungsgang zum Bauchraum schließt sich normalerweise vor der Geburt. In etwa zwei Prozent bleibt der Verbindungsgang offen. Unter Belastung der Bauchpresse (Schreien, Pressen, Husten) dehnt sich der Verbindungsgang allmählich auf und Baucheingeweide können durch diesen Verbindungsgang bis in den Hodensack treten. Auch Mädchen können – da die vorgeburtliche Entwicklung bei beiden Geschlechtern für eine gewisse Zeit gleich verläuft - einen Leistenbruch entwickeln. Allerdings ist das viel seltener als bei Jungen der Fall. Insbesondere Frühgeborene sind gefährdet, einen Leistenbruch bei der Geburt zu haben oder später zu entwickeln.
Meistens fällt der Mutter beim Baden oder Wickeln eine Schwellung in der Leiste oder im Hodensack auf. Manchmal wird ein kleinerer Bruch auch erst bei den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen entdeckt.
Da sich ein nachgewiesener Leistenbruch nicht spontan verschließt, ist eine Operation erforderlich. Der Eingriff wird in Vollnarkose durchgeführt. Wenn das Kind älter als ein Jahr ist, kann dies in den meisten Fällen ambulant erfolgen. Über einen kleinen, kosmetisch wenig störenden Hautschnitt im Bereich der Leiste wird der Bruchsack abgetragen und der Übergang zum Bauchraum fest verschlossen. Die Hautwunde wird mit selbstauflösenden innenliegenden Fäden genäht, so dass keine Fäden gezogen werden müssen.
Das operierte Kind ist in der Regel nach Ablauf eines Tages wieder fit. Körperliche Belastungen durch Sport, Toben o. ä. sollten noch einige Wochen vermieden werden, um Schwellungen und Schmerzen zu vermeiden.
Als Durchtrittsstelle der Nabelschnur ist der Nabel eine vorgegebene Schwachstelle in der Bauchdecke. Das Wachstum der geraden Bauchmuskeln engt diese Schwachstelle ein, so dass sich normalerweise keine Bruchlücke bildet. Bei manchen Kindern verbleibt jedoch am Nabel eine tastbare Lücke. Insbesondere bei Frühgeborenen ist dies zu beobachten. Im Stehen oder bei kleineren Kindern beim Pressen oder Schreien stülpt sich eine sichtbare Vorwölbung aus. Der Nabelbruch verursacht keine Schmerzen. Die Kinder sind in ihrer Beweglichkeit oder ihrem Tatendrang nicht eingeschränkt.
Keinesfalls sollte zu früh operiert werden: bis zum Alter von 3 Jahren besteht eine spontane Rückbildungstendenz. Vorher sollte nur operiert werden, wenn der Durchmesser der Bruchpforte mehr als 1,5 cm beträgt oder die Haut über dem Bruch stark ausgedünnt ist. Absolut dringlich ist eine Operation allerdings bei der sehr seltenen Einklemmung des Nabelbruches. Die Operation wird in Vollnarkose durchgeführt. Meistens wird ein ambulantes Vorgehen möglich sein.
Bei der Operation wird ein kosmetisch wenig störender bogenförmiger Schnitt im Unterrand des Hautnabels angelegt. Von dort aus wird der Bruchsack freigelegt, abgetragen und die Bruchlücke verschlossen. Die Hautwunde wird mit innenliegenden selbstauflösenden Fäden vernäht, so dass keine Fäden gezogen werden müssen.
Nach der Operation ist zu beachten, dass stärkere sportliche Belastungen erst nach etwa drei bis vier Wochen wieder durchgeführt werden sollten. Dadurch wird die frisch genähte Bruchpforte vor dem Wiederholungsbruch geschützt.
Kann der Verdacht der Kinderärzt:innen auf eine akute Blinddarmentzündung (Appendizitis) nicht sicher ausgeräumt werden, muss das betroffene Kind im Krankenhaus beobachtet werden. Bestätigt sich der Verdacht, erfolgt am gleichen Tag die Operation. Ansonsten werden in den nächsten Stunden Kontrolluntersuchungen durchgeführt, die dann gegebenenfalls auch zur Operation führen.
Die Operation wird in Vollnarkose durchgeführt. In der Regel wird ein relativ kleiner Schnitt im rechten Unterbauch angelegt und der Wurmfortsatz entfernt. In etwa ein bis zwei Prozent findet sich ein angeborenes Anhängsel im unteren Dünndarm (sog. Meckel'sches Divertikel). Wenn dies vorhanden ist, wird es in der gleichen Operation entfernt.
Heutzutage ist die Operation auch endoskopisch durchführbar. Beide Wege sind gleichberechtigt, da sich weder für die eine noch für die andere Methode eindeutige Vorteile herausgestellt haben.
In unserem Hause bevorzugen wir bei kleinen Kindern die offene Operation, da bei diesen die endoskopische Operation besondere Gefahren birgt und der kleine Hautschnitt kosmetisch ohne weiteres mit den Zugängen des endoskopischen Verfahrens konkurrieren kann. Bei schon älteren Mädchen, insbesondere wenn die Regelblutung bereits vorhanden und das Krankheitsbild nicht wirklich eindeutig ist, bevorzugen wir das endoskopische Vorgehen, da hiermit eine vollständige Begutachtung des gesamten Unterbauches einschließlich der inneren Geschlechtsorgane (Gebärmutter und Eierstöcke) möglich ist.
So können auch andere Ursachen für Bauchschmerzen erkannt werden, falls sich während der Operation der Blinddarm als unauffällig herausstellt.
Durch die Entzündung und die Operation kommt es nach dem Eingriff zu einer vorübergehenden Verminderung der Darmtätigkeit. Daher werden je nach Ausprägung der Entzündung für einige Tage nach der Operation Infusionen verordnet und der Nahrungsaufbau vorsichtig durchgeführt. Je nach Befund während der Operation und körperlicher Erholung kann das Kind wenige Tage nach der Operation aus der Klinik entlassen werden.
Auch bei dieser Operation sind Komplikationen nicht ausgeschlossen. Neben den üblichen Operationsrisiken wie Wundinfektion und Nachblutung, kann es zu einer erneuten Eiterbildung im Lager des Wurmfortsatzes kommen (Abszess), die zu einer weiteren Operation zwingen kann. In etwa zwei Prozent der Fälle kommt es auch noch nach Jahren durch Verwachsungen, die nach der Operation entstehen können, zum Darmverschluss. Dieser muss meist wieder operiert werden. Daher legen wir strenge Maßstäbe an die Operationsentscheidung.
Durch bisher ungeklärte Ursache kommt es bei etwa einem von 1.000 Neugeborenen zu einem im Verhältnis zum übrigen Magen-Darm-Trakt zu schnellen Wachstum des Magenpförtnermuskels. Dadurch wird der innere Durchmesser und damit die Passagemöglichkeit der Nahrung drastisch verringert. Im Alter von etwa vier bis sechs Wochen kommt es bei den betroffenen Kindern zu schwallartigem Erbrechen jeweils nach der Nahrungsaufnahme. Trotzdem haben die Kinder Appetit und trinken gut.
Da die Erkrankung durch den Flüssigkeitsverlust und die Verschiebung des Mineralhaushaltes für das Kind gefährlich werden kann, ist das Kind unverzüglich dem Kinderarzt oder der Kinderärztin vorzustellen. Ist die Diagnose abgeklärt, wird die operative Korrektur durchgeführt.
In Vollnarkose wird über einen ca. 2,5 cm langen Schnitt im rechten Oberbauch die verdickte Muskulatur des Magenpförtners längs durchtrennt, damit wieder genügend Platz zur Speisepassage entsteht. Der Wundverschluss erfolgt mit innenliegenden selbstauflösenden Fäden, so dass das unangenehme Fädenziehen entfällt.
Nach der Operation wird eine Nahrungspause von 24 Stunden eingehalten. Anschließend erfolgt der langsame Kostaufbau. Nach Abschluss des Nahrungsaufbaus kann das operierte Kind wieder nach Hause entlassen werden.
Bei einigen Kindern (Häufigkeit von 1 : 2.500 Neugeborenen) verbleibt ein angeborener Verbindungsgang zwischen Nabel und Blase bestehen, der normalerweise bis zur Geburt zu einem Bindegewebsstrang verödet. Bei entsprechendem Füllungszustand der Blase kann sich dann Urin über den Nabel entleeren. Bei den betroffenen Kindern fällt ein nässender Nabel auf. Erschwerend kann eine Entzündung oder gar Eiterbildung im Nabelbereich auftreten.
Zur genaueren Abklärung und Abgrenzung zu anderen Ursachen des nässenden Nabels wird in erster Linie die Ultraschalluntersuchung eingesetzt. In manchen Fällen kann man den Harngang mit einer feinen Sonde austasten.
Beim Nachweis eines offengebliebenen Harngangs sind konservative Behandlungsversuche nutzlos, so dass eine Operation erfolgen muss. In Vollnarkose wird ein wenige Zentimeter langer Schnitt in der Körpermittellinie unterhalb des Bauchnabels angelegt. Von dort aus wird der Harngang aufgesucht. Er wird von der Blase und vom Nabel abgetrennt und entfernt. Der Wundverschluss erfolgt mit innenliegendem selbstauflösendem Nahtmaterial, so dass keine Fäden gezogen werden müssen.
Bis zur kompletten Wundheilung (7 bis 10 Tage) sollte die Wunde trocken gehalten werden. Das Kind soll in dieser Zeit nicht gebadet werden, weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich.