Ein Lungenautomat als Lebensretter
09.12.2020 | Das Klinikum Leverkusen hat ein Gerät zur Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) angeschafft. Das Gerät kommt bei schwerem Herz-Lungen-Versagen zum Einsatz und kann die Atmungsfunktion einer kompletten Lunge überbrücken.
Schwere Symptome von COVID-19 wie akute Atemnot und Sauerstoffmangel können erste Zeichen eines schweren Krankheitsverlaufes sein. Im schlimmsten Fall kann eine massive Lungenentzündung zu einem kompletten Atemversagen führen. Wenn die Lunge nicht mehr in der Lage ist, den Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen, auch nicht unter Zuhilfenahme von mechanischer Beatmung, ist die extrakorporale Membranoxygenierung ECMO eine potenziell lebensrettende Alternative. Die ECMO kann hierbei die Atmungsfunktion der Lunge nahezu komplett ersetzen, indem das Blut des Patienten außerhalb des Körpers gepumpt und mit Sauerstoff angereichert wird. Das Blut verlässt den Körper durch einen Katheter, der in eine große Vene eingeführt wird. Dieser ist an einen Oxygenator (künstliche Lunge) angeschlossen, der dem Blut Sauerstoff zuführt und Kohlendioxid entnimmt. Das mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt am Ende des „extrakorporalen“ Kreislaufs wieder zurück in die Venen des Patienten – über einen weiteren Katheter (V-V-ECMO). Pro Minute können so bis zu 5-6 Liter Blut außerhalb des Patientenkörpers durch den Oxygenator gepumpt werden. Zum Vergleich: Bei einer Dialyse beträgt die Fluss-/Pumprate nur 100-250 Milliliter Blut pro Minute.
„Mit ECMO alleine werden keine Patienten geheilt, aber die Technologie hilft wertvolle Zeit zu gewinnen, um die richtigen Maßnahmen zur Behandlung der Grundkrankheit ergreifen zu können und die Lunge des Patienten erhält Zeit zu genesen“, erklärt Prof. Dr. Gerd Peter Molter, Direktor der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin.
Je nach Konfiguration kann das ECMO-Gerät als Lungenunterstützung (wie dies im Lungenversagen beispielsweise bei COVID-19 der Fall ist) oder als Herz/Lungen-Unterstützungssystem eingesetzt werden. Dies kann beispielsweise eine Behandlungsmöglichkeit bei kardialem Pumpenversagen sein, wenn also das Herz nicht mehr in der Lage ist, Blut durch den Körper zu pumpen und ein Kreislaufstillstand droht.
In diesem Fall kann das ECMO-Gerät das Herzkreislaufsystem überbrücken. Das Blut wird wie bei der Lungenunterstützung über einen Katheter der Vene entnommen, außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert und dann aber in eine Arterie zurückgepumpt (V-A-ECMO). So wird – zusätzlich zum Ersatz der Gasaustauschfunktion der Lunge – ein künstlicher Blutdruck oder Kreislauf im Körper erzeugt, um das versagende Herz in seiner Funktion zu unterstützen oder kurzzeitig gar zu ersetzen. Diese gewonnene Zeit kann wie beim Lungenersatz als Überbrückungstherapie bis zur Versorgung der Ursache (Herzkatheter, Bypass-Operation,…) oder der Erholung der Organfunktion dienen. "Während früher solche Herz-Lungen-Maschinen noch richtig große Instrumente waren, ist dieses Gerät tragbar und kann sogar bei einem Transport des Patienten in einem Notarztwagen oder einem Hubschrauber mitgenommen werden. Dies ist besonders wichtig für z. B. junge Patienten mit schwerstem Herzinfarkt, die in eine Spezialklinik verlegt werden müssen zur Anlage eines Kunstherzens“, erklärt Prof. Dr. Peter Schwimmbeck.
Am Klinikum Leverkusen haben die Intensivmediziner in diesem Jahr bereits zwei Patienten mit ECMO-Therapie behandelt, in den letzten 5 Jahren insgesamt etwa 15 Patienten. Einige dieser Patienten hätten ohne das Verfahren keine Überlebenschance gehabt.
Beim ECMO-Verfahren handelt es sich um ein Hightech Konzept zur Behandlung von schwerstem Herz-/Lungenversagen und geht daher auch mit höchstem Aufwand und einigen Risiken einher. Ein Überleben kann deshalb nicht garantiert werden.
Die extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) selbst ist im Klinikum Leverkusen nicht neu. Bisher wurde das Gerät jedoch bei Bedarf angemietet. Dies erforderte einen Vorlauf von 12-13 Stunden. „Durch Förderung des Landes waren wir in der Lage das extrakorporales Herz-Lungen-System (ECMO) zu beschaffen. Gerade in der aktuellen Phase der Pandemie ist dies wichtig. Es ist ein Vorteil für die Behandlung der COVID-Patienten in Leverkusen und der Umgebung, die ECMO direkt vor Ort zu haben.“, sagt Hans-Peter Zimmermann, Geschäftsführer des Klinikums Leverkusen. Das Gerät für das Klinikum Leverkusen hat rund 90.000 € gekostet.
Die Betreuung der Patienten an der ECMO ist sehr komplex, benötigt viel Aufwand, Zeit und Erfahrung und verlangt ein interdisziplinäres Team. Am Klinikum Leverkusen gibt es beispielsweise einen Pool von Pflegefachkräften, die speziell geschult sind und die die ECMO-Patienten eins zu eins betreuen. Das heißt, eine Pflegefachkraft betreut ausschließlich einen Patienten. Dies ist auch dringend notwendig, da jede Tätigkeit am Patienten unter einer Vielzahl von Vorsichtsmaßnahmen erfolgen muss. Jede Beeinträchtigung der hohen Blutflüsse über die ECMO und Komplikationen mit den großen Gefäßkathetern kann für den Patienten sofort lebensbedrohlich sein. Sein Leben „hängt“ an der ECMO. In Verbindung mit den aufwendigen Covid-19 Schutz- und Isolationsmaßnahmen kann so auch die Versorgung eines einzelnen Patienten Pflegekräfte und Ärzt*innen an die Grenze des Leistbaren bringen.
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